Die Matthäuskirche wurde auf Sand gebaut, aber nicht „in den Sand gesetzt“. Treibsand und Geröll vom Nordrand des Teutoburger Waldes waren in Jahrtausenden in Richtung Gellershagen „gewandert“.
Aber das erste Presbyterium der Matthäus-Gemeinde war dennoch zuversichtlich, den Bau einer Kirche erfolgreich bewerkstelligen zu können –nachdem am 1.Mai 1958 ehemalige Bereiche der Erlöser-Gemeinde in Sudbrack zu selbständigen Kirchengemeinden erklärt wurden; die Bodelschwingh-Gemeinde und die Matthäus-Gemeinde.
Pfr. Herbert Sewing – später General bei der Bundeswehr – war 1952 als Pfarrer der Erlöser-Gemeinde an den Brodhagen gekommen. Eine alte Baracke – das „Gustav-Adolf-Heim“ – wurde zunächst aufgestellt, um überhaupt einen Gottesdienstraum in unserem Stadtteil anbieten zu können. 1956 entstanden der Kindergarten und eine Schwesternstation. 1957 gründete sich der Kirchbauverein e.V. mit 600 Mitgliedern. 45 Mitarbeitende sammelten monatlich bei Hausbesuchen die Beiträge ein, die den Grundstock für die Finanzierung der Kirche bildeten. Pfr. Keune, der von 1957 – 1959 am Brodhagen wirkte, bemerkte im Rückblick, dass der Trennung der Matthäus-Gemeinde von der Erlöser-Gemeinde viele unerfreuliche Streitereien vorangegangen waren. Eine eigenständige kirchliche Präsenz am Brodhagen sollte unterbunden werden. Ähnlich hatte ja schon die Stifts-Gemeinde in Schildesche reagiert, als sich in Sudbrack eine eigene Gemeinde bildete.
Aus heutiger Sicht ist es wichtig zu wissen, dass in der Zeit von 1948 bis 1958/1960 in der ev. Kirche von Westfalen ein Bau-Boom ausgelöst wurde – besonders auch in Bielefeld. In 10-15Jahren entstanden mehr Kirchen als in den 450 Jahren zuvor seit Beginn der Reformation.
Der Architekt Wedegärtner wurde mit der Planung der Kirche beauftragt. Die Baugesellschaft Sudbrack übernahm die Durchführung des 1,2 Mill.-Projektes. Alfred Stier – Presbyter der Gemeinde und ebenfalls Architekt – fühlte sich verantwortlich für die Verwirklichung der Baupläne. Herr Hansen, Dozent an der Werkkunstschule, gestaltete die Fenster, den Altar, die Kanzel und den Taufstein.
Der Kirchbau zeichnete sich durch zwei Besonderheiten aus:
- aufgrund des Fließsandes im Erdreich des Baugrundstücks „am Brodhagen“ (die Schelpsheide war noch ein „Pattweg“) musste der Kirchbau auf 11m tiefen Pfählen gründen. Nur so war die Kirche „stabil“.
- vor dem Kirchbau war zunächst der Turmbau notwendig. In 31 Tagen wurde ununterbrochen der Beton für den Turm gegossen, so dass sich Präses Wilm über die Störung der Sonntagsruhe beschwerte. So musste dem Präses das „Gleitschalverfahren“ erklärt werden, das eine Arbeitsunterbrechung unmöglich machte: Beton muss dauerhaft „fließen“, um bearbeitet zu werden. Nachts wurde die Baustelle angestrahlt, so dass die Bauleute den Turm bis zur Höhe von 41m fertigstellen konnten.
Am 6.November 1960 wurden die Glocken, deren Klang auch noch in Schildesche gehört werden kann, in einem festlichen Rahmen geweiht. An diesem Tag wurde auch die Grundsteinlegung der Matthäuskirche gefeiert. Inzwischen waren Pfr. Schulze und Pfr. Hufendiek die beiden Pfarrer der neuen Matthäus-Gemeinde. Entstanden war auch das neue Gemeindehaus (heute ein Teil des Kindergartens!). Auch die Pfarrhäuser an der Schelpsheide waren erbaut.
Die Gottesdienste fanden mittlerweile in der Aula der Brodhagen-Schule statt. Damit aber dennoch die neuen Glocken schon zum Gottesdienst einluden und den Gottesdienstablauf liturgisch begleiteten, hielt z.B. die unvergessliche Küsterin Emma Massalski einen Besenstiel aus einem Fenster der Brodhagen-Aula heraus: Signal für die engagierten Massalski-Kinder, am Glockenturm die VaterUnser-Glocke zu läuten.
Im Sommer 1960 beschloss das Presbyterium folgende Glocken-Inschriften:
- für die kleinste Glocke: „O Land, Land, Land höre des Herren Wort!“ (Jer. 22,29)
- für die zweitkleinste Glocke – Taufglocke -: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen: Du bist mein.“ (Jes. 43,1)
- für die dritte Glocke – Trauglocke-: „Siehe, ich bin Euch alle Tage bis an der Welt Ende!“ (Matth. 28,20)
- für die Bet- oder Sterbeglocke: „Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige! Ich war tot und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit!“ (Offb. 1,17+18)
Am 3.Advent 1961 versammelte sich in der Brodhagen-Aula eine große Gemeinde und zog dann – begleitet vom Posaunenchor und Kirchenchor – in die neue Kirche ein. Präses Wilm und Superintendent Busse führten den Zug an. Für die Matthäus-Gemeinde war dieser Tag von außerordentlicher Bedeutung. Mit einer eigenen Kirche wurde auch die Eigenständigkeit der neuen Kirchengemeinde unterstrichen. Die ev. Gemeinde am Brodhagen hatte jetzt einen eigenen geistlichen Ort. Es werden sich sicherlich noch viele an diesen feierlichen 3.Advent 1961 erinnern.
Vier Besonderheiten sind nach 50 Jahren zu vermerken:
- die Ott-Orgel wurde erst später eingebaut! 1961 spielte die Organistin Christa Gabler auf einem Orgelpositiv, das später in Dielingen am Dümmer See und in Dortmund-Wickede seinen Dienst tat.
- die Akustik der Kirche wurde sehr gerühmt. Musikalische Fachleute beurteilen den Kirchraum als optimalen Klangraum für kirchenmusikalische Aufführungen.
- Pfr. Hufendiek erinnert sich an das Spottwort: Aquarium! Die dominierende Farbe blau fand nicht bei allen Anklang.
- Fritz Hufendiek vermerkt ebenfalls den spöttischen Einwurf: „Sollen wir unsere Taschenlampen mitbringen, um aus dem Gesangbuch zu lesen?“ Die Beleuchtung der Kirche wurde von vielen als zu dunkel erlebt.
In den 50 Jahren seit 1961 erfuhr die Kirche manche Veränderungen.
Die Ott-Orgel wurde erst nach einer weiteren intensiven Spendenaktion eingebaut.
Am 15.März 1992 hat der Frankfurter Propst Dr. Dieter Trautwein mit einer Festpredigt der Gemeinde die neuen Altarbilder des Prager Künstlers Miroslav Rada übergeben. Seit fast 50 Jahren sind wir mit ihm und den Gemeinden der Böhmischen Brüder in Prag eng verbunden. Christus als Kreuz – Taufe – Abendmahl: Trautwein führte mit Liebe und Feingefühl der versammelten Gemeinde das Kunstwerk unseres Prager Freundes vor Augen. Bis zum Jahr 1992 stand ein Kreuz hinter dem Altar, das – aufgrund einer besonderen Beleuchtung – einen zweifachen Schatten auf die Wand hinter dem Altar warf: Erinnerung an Golgatha. Dieses Kreuz hängt seit 1992 im Saal des Dietrich-Bonhoeffer-Zentrums.
In den letzten Jahren wurden – nach einer Spendenaktion – neue hellere Lampen in der Kirche installiert. Die Innenwände – die nach Jahrzehnten nachgedunkelt waren – wurden mit frischem Weiß gestrichen.
In diesem Jahr 2011 wurde das Kirchdach saniert. Mit einer Photovoltaikanlage erhält auch die Kirche von außen „ein neues Gesicht“.
Seit 2001 bzw. 2006 ist die Matthäuskirche die gemeinsame Kirche aller Bezirke der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde. Für einen großen Teil der Gemeinde war es schmerzlich, die eigenen Kirchen abzugeben (Christuskirche, Kirchsaal am Bültmannshof). Jetzt versammelt sich am Sonntag eine Gemeinde, die sich aus Menschen zusammensetzt, die eine enge persönliche Beziehung zur Matthäuskirche haben (Taufe, Konfirmation, Trauung…), während sich andere noch als „Gäste“ fühlen und erst mit der Zeit ein „Heimatgefühl“ entwickeln.
Es ist deutlich: das Jahr 2011 markiert eine völlig andere kirchliche Situation als das Jahr 1961. Vor 50 Jahren entstanden überall neue Gemeinden und neue Gebäude. Seit 10 Jahren dreht sich dieser Prozess um: Gemeinden fusionieren und Gebäude werden verkauft oder vermietet. Wir dürfen da nichts „schönreden“: dieser Prozess tut weh.
Gleichzeitig sind wir dabei zu begreifen: auf dem neuen Weg ist schon viel Gemeinsames entstanden. So ist es ein großes Wunder, das sich so viele aus der gesamten Gemeinde für die Sanierung des Kirchdaches und für die Photovoltaikanlage eingesetzt haben. Vor 50 Jahren dachte auch noch niemand an Solar-Energie. So setzen wir jetzt im Jahr 2011 ein Zeichen, dass es uns ernst ist mit der Bewahrung der Schöpfung: Strom aus der Kraft der Sonne muss den Strom aus gefährlichen und klimafeindlichen Quellen ersetzen.
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